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3. Türchen - L wie Liebe, Leben, Lösen

3. Türchen - L  wie Lieben, Leben, Lösen

 

 

Worüber sollte ich wohl schreiben, wenn nicht über die LIEBE?

Liebe ist der Stoff aus dem wir alle gemacht sind. Ich weiß nichts über die Liebe zwischen Deinen Eltern.
Bei meinen Eltern habe ich oft gezweifelt, ob sie sich wirklich lieben. Erst später im Leben erkannte ich, dass
sie ihre Art hatten, ihre Liebe zueinander auszudrücken, die mit der meinigen Art nicht viel gemein hatte.

Meine Eltern sind im Krieg aufgewachsen.

Meine Mutter lernte ihren Vater nicht kennen, weil der zu ihrer Geburt  - wie angekündigt: "Wenn es ein Mädchen wird, gehe ich", seine Frau, meine Großmutter und die kleine Familie verließ. Aus den Erzählungen meiner Mutter entnahm ich dennoch, dass meine Großmutter irgendwie auch froh darüber war, dass er ging, wenngleich sie die alleinige Fürsorge für meinen damals 13- jährigen Onkel und meine Mutter sicherlich sehr heraus forderte. Doch meine Großmutter besaß Geschäftssinn und hatte ein großes kreatives Potenzial. -
Mein Vater hingegen wuchs mit zwei wesentlich älteren Schwestern auf, einem Zwillingsbruder und einem Nesthäkchenbruder, meinem späteren, überaus lustigen Onkel. Mein Großvater war vom Wehrdienst befreit, weil er sein rechtes Auge bereits im Krieg zuvor verloren hatte. Für seine Familie war dieser Umstand dann ein Glück. Jedoch der ältere Bruder meines Vaters kam 17-jährig in den Bombennächten von Dresden um. -
Aus der Geschichte meiner Eltern kann man ablesen, dass man nie weiß, ob etwas Glück oder Unglück ist, denn Glück kann sich in Unglück und Unglück in Glück wandeln. 

Was meine Eltern gleichsam erlebten in ihrer Kindheit, war, dass sie durch ihre Eltern nie Schläge erfuhren.
Die Liebe drückten meine Großeltern unterschiedlich aus. In meines Vaters Familie sagte man sich liebevolle Worte, umarmte sich, gab sich Küsse, Meine Mutter hingegen erfuhr eine streichelnde Hand nur, wenn sie krank war. Doch auf ihren Geschäftswegen nahm meine Großmutter sie fest an ihrer Hand mit. Meine Mutter litt auch nie an Hunger, den ganzen Krieg hindurch nicht und auch nicht in der Zeit danach. Wie gesagt, meine Großmutter besaß einen außergewöhnlichen Sinn fürs Geschäfte machen - auf ehrliche Weise, das mag ich hinzufügen. Mein Vater erfuhr auf der Flucht, dass es sich ausgesprochen gut machte, wenn er mit seinem Zwillingsbruder an den Höfen um Essen betteln ging. Die grundlegenden Besorgungen machten in den Nachkriegstagen immer die Zwillinge. Du siehst, die Liebe kann sich sehr unterschiedlich ausdrücken und dann in den Zeiten - wenn sich die Angst zwischen die Liebe schiebt - dann können Eltern ihre Kinder nicht wirklich schützen vor Erfahrungen, die sie überfordern oder sie lässt Erfahrungen verhindern, die ihre Kinder stärken könnten.

 

Wir sind die, die wir durch unsere Biografie geworden sind und doch sind wir aus Liebe gemacht und haben unseren ganz eigenen Ausdruck von Liebe. Meine Eltern haben ihr Bestes weiter gegeben von all dem Besten, dass sie erfahren haben und doch konnten auch sie mich vor einigen Erfahrungen nicht beschützen, weil ihre Angst sich vor die Liebe schob.

 

Und so geben wir einmal weiter, was wir weiter geben wollen und wir geben ebenso weiter, was wir lieber nicht weiter gegeben hätten, wenn wir nur gekonnt hätten. Und doch haben wir  jederzeit  das Recht und die Möglichkeit, uns damit auszusöhnen und denen die Hand zur Versöhnung zu reichen, die das Feld der Angst nicht wagen, zu verlassen.

 

Sich zu lösen, was einen lange begleitet hat, es zu lassen, das ist oft sehr viel schwerer als wir gemeinhin denken und es ist auch für jeden etwas anderes schwer. Auch das Schlimme zu verlassen, schlechte Gewohnheiten zum Beispiel, das kann schwer fallen. 

Vor jedem Seinlassen und sich lösen, steht immer die Versöhnung. Die Versöhnung mit dem, was ist, mit dem was war und, dass es so ist wie es nun einmal ist. Dann erst kann die Liebe sich auch
da breit machen und wirken und das Leben, die Lebendigkeit kehrt dorthin zurück.

Die meisten meiner Blog-Leser/innen haben das Glück, nach diesem unsäglichen und prägenden Krieg aufgewachsen zu sein - einige Lesende haben den Krieg jedoch noch mit erlebt.
Wir, die wir in äußerem Frieden aufgewachsen sind, uns ist es gegeben, das Feld der inneren Kriege leichter verlassen zu können. Und wir müssen es tun, denn wir sind in die Folgen des von unseren Eltern erlebten Krieges emotional eingebunden (gewesen). In unserem Inneren tobt er weiter, der Krieg. Wir zerstören oft das Feld der Liebe in unserem familiären Feld, in unseren Partnerschaften, in uns selbst und erleben diese Zerstörung auch im beruflichen Feld. Für manche ist es wie verhext, dass sich manche Lebensfelder einfach nicht auf Glücklichsein, Freude erleben und Zufriedenheit weiten lassen. 

 

Wir erleben gerade sehr deutlich, wie Angst sich ausbreiteten kann, um sich greift und alles in Bann hält und wie sich in diesem Feld der Angst und des mit ihr erscheinenden Zweifels, die Lüge sich eine Schneise bricht. Wir wissen nicht mehr was und wem wir glauben und trauen können.
Die Geister dieses fast über 70 Jahre her seienden Krieges scheinen uns wieder einzuholen. Wir merken erstmalig, wie wenig Vertrauen wir in uns selbst und in unsere Wahrnehmung haben,
bzw. wo unsere persönliche Falle diesbezüglich liegt. Und das ist gut so! Weil wir hier und jetzt damit beginnen können, uns mit uns selbst auszusöhnen und völlig neue Entscheidungen für unser Leben treffen können und müssen, soll die Liebe den ganzen Raum unseres Lebens wieder betreten dürfen und in uns wirken.

 

Ich wünsche Dir einen friedvollen und versöhnlichen 3. Dezember:

Was in Dir sehnt sich zutiefst nach Frieden?
Womit magst Du Dich gern aussöhnen?

Hinterlasse mir dazu gern 1 Kommentar.

 

Ich freue mich darauf

Susanne alias Nana Mara
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PS: Im Advent 2017 schrieb ich schon einmal kurze Texte als AdventsKalender. Diesmal habe ich den Text von 2017 ( von vor 5 Jahren!!) komplett und unverändert übernommen, so, wie ich ihn damals schrieb und war hoch erschrocken beim Durchlesen, wie aktuell er ist.

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Kommentare: 2
  • #1

    Sonja Eva Jene (Sonntag, 04 Dezember 2022 00:07)

    Ich sehne mich nach Frieden in unserer kernfamilie. Unser einziger Sohn, hat zusammen mit seiner Frau Katharina , relativ schnell nach ihrer Heirat zwei Kinder bekommen.. Sie wohnen 300 Meter von uns entfernt, aber wir haben minimalen Kontakt. Unser Sohn und die Schwiegertochter sind auf Abstand zu uns. Die beiden wollen nicht darüber reden, was alles geschehen ist . So bleiben wir im Regen stehenU.ÿ PS

  • #2

    Sonja eva jene (Sonntag, 04 Dezember 2022 07:50)

    Ich habe wirklich mir alles versucht, was mir möglich war und kann mit viel Liebe und Licht senden leben. Empathie und Liebe trägt mich, mein Mann leidet immer noch heftig daran, seine Enkel nicht sehen zu dürfen und ein so abgeschnittenes Verhältnis zum Sohn zu haben. Zumal wir eine sehr innige Beziehung zum Sohn über Jahrzehnten hatten. Es ist so unbegreifbar und macht ohnmächtig. Gestern konnte ich auf meinem tanzseminar weinen, wo wir die Sehnsucht getanzt haben.